Von der Hörminderung / Hörverlust

Besteht bei einem Erwachsenen der Verdacht, dass das Hören sich verschlechtert hat, sollte umgehend ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufgesucht werden. Für Neugeborene und Kinder ist der Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie der richtige Ansprechpartner.

Schnell reagiert werden muss insbesondere bei akuten Beeinträchtigungen, die durch übermäßige Lautstärke verursacht wurden, bei einem Verdacht auf Hörsturz oder beim Auftauchen eines durchdringenden Pfeiftons. Gerade letzteres legt den Verdacht auf Tinnitus nahe. Sowohl beim Hörsturz als auch beim Tinnitus ist eine sofortige Reaktion zwingend notwendig, da die schnell einsetzende medikamentöse Behandlung die größtmöglichen Heilungschancen verspricht. Aber auch beim Verdacht auf eine schleichende Hörminderung ist frühzeitiges Handeln angebracht.

Wird eine Hörminderung und damit eine leichte, mittelgradige oder hochgradige Schwerhörigkeit festgestellt, gilt es zu klären, wodurch sie verursacht wurde. Fachärzte unterscheiden die Schwerhörigkeit nach dem Ort, an dem die Schwerhörigkeit verursacht wird.

Es gibt Schwerhörigkeit, die durch die Störungen am Hörnerv und des Gehirns entstehen. Diese Formen der Schwerhörigkeit finden hier keine Beachtung, da sie vergleichsweise selten sind und in das Fachgebiet der Neurologie fallen.

Schallleitungs- und Schallempfindungsstörungen

Spricht der Laie von Schwerhörigkeit so unterscheiden Fachleute zwischen Schallleitungsstörungen und Schallempfindungsstörungen bzw. von einer Kombination beider Störungen.

Bei den Schallleitungsstörungen kommt der Schall nicht mehr im Innenohr an. Wesentliche Ursachen sind Erkrankungen oder dauerhafte Veränderungen im Gehörgang, am Trommelfell oder der Gehörknöchelchen. Es kann sich aber auch um eine vorübergehende Störung handeln. Ein Pfropfen Ohrschmalz (Cerumen) kann beispielsweise die Schallweiterleitung behindern. Die Entfernung beim Ohrenarzt löst das Problem. Liegt eine irreversible Schädigung vor, empfehlen sich spezielle Hörgeräte, die den Schall über die Knochen weiterleiten.

Der weit größere Teil der Menschen mit Gehörminderung leidet allerdings an Schallempfindungsstörungen auch Innenohrschwerhörigkeit genannt. Das bedeutet, dass im Innenohr die Wahrnehmung der Schallwellen beeinträchtigt ist. Hier können in der Regel die gängigen Hörgeräte verwendet werden.

Innenohrschwerhörigkeit und ihre Auslöser

Die Ursachen für eine Innenohrhörminderung können sehr vielseitig sein. Es gibt angeborene Schwerhörigkeit und erworbene Schwerhörigkeit. Der folgende Überblick stellt die erworbene Schwerhörigkeit in den Vordergrund.

Zu Erinnerung: Die Funktionsfähigkeit der Haarsinneszellen im Innenohr ist entscheidend für die Qualität des Hörens. Innenohrschwerhörigkeit entsteht, wenn die Haarsinneszellen geschädigt werden oder ganz absterben. Grundsätzlich können drei Faktoren für ein Nachlassen der Fähigkeiten in Betracht kommen: die Lärmbelastung, der natürliche Alterungsprozess und Krankheiten.

Zu den Krankheiten die Innenohrschwerhörigkeit auslösen können, gehören Mittelohrentzündungen, Durchblutungsstörungen im Innenohr und Stoffwechselerkrankungen.

Das sensible Gehör ist sehr leistungsfähig, kommt aber an seine Grenzen wenn es einem extremen kurzfristigen Schalldruck im Millisekundenbereich oder einer lauten Dauerbeschallung ausgesetzt wird.

Ein Knalltrauma wird durch eine kurzzeitige Schallbelastung mit einem Pegel von über 140 dB ausgelöst. Beim Explosionstrauma dauert der Druckanstieg länger, sodass auch das Trommelfell reißt. In beiden Fällen ist das Gehör über Stunden massiv und eventuell dauerhaft geschädigt. Sind das Trommelfell oder gar die Gehörknöchelchen  mit betroffen besteht eine Kombination zwischen Schallleitungs- und Schallempfindungsstörungen.

Akute Lärmtraumata entstehen dagegen, wenn das Gehör einem hohen Lärmpegel über einen längeren Zeitraum ausgesetzt ist. Ein typisches Beispiel ist das Hören von sehr lauter Musik über einen längeren Zeitraum bei einem Fest, einem Konzert oder über Kopfhörer. Fast jeder kennt diese Erfahrung: Das Gehör erholt sich in den meisten Fällen nach einiger Zeit. Es können aber auch dauerhafte Schäden bleiben, auch solche, die unter Umständen nicht sofort wahrgenommen werden und sich erst viel später bemerkbar machen.

Hochtonschwerhörigkeit

Die am häufigsten auftretende Art der Schwerhörigkeit ist die Hochtonschwerhörigkeit. Das bedeutet, dass die hohen Töne nicht mehr gut wahrgenommen werden können, während im tieferen Bereich das Hörergebnis noch gut ist. Dadurch leidet das Sprachverstehen, da die leiseren Konsonanten, die im Hochtonbereich liegen, nicht mehr erfasst werden können. Die Vokale, die im tieferen Frequenzbereich liegen, werden dagegen gut verstanden. Da diese Form der Schwerhörigkeit häufig bei älteren Menschen der Fall auftritt, ist der Begriff der Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) geläufig. Als Ursache wird der generelle Alterungsprozess angenommen. Die Hochtonschwerhörigkeit tritt vermehrt ab dem fünften und sechsten Lebensjahrzehnt auf. Häufig geht mit dieser Form der Schwerhörigkeit auch eine Veränderung der Dynamik einher. Das bedeutet, dass der Bereich zwischen Hörschwelle und Unbehaglichkeitsschwelle (Schmerzschwelle) sich verkleinert. Das Ergebnis: Die mittleren aber vor allem tiefen Töne werden als zu laut empfunden während die höheren Töne nicht mehr verstanden werden.

Lärmschwerhörigkeit

Lärmschwerhörigkeit ist ein Begriff aus der Arbeitsmedizin. Aber auch Freizeitaktivitäten können zum  Krankheitsbild der Lärmschwerhörigkeit führen. Lärmschwerhörigkeit beginnt mit einer Hochtonschwerhörigkeit. Fachleute sprechen von einem Abfall der Hörfähigkeit im Frequenzbereich von 4000 Hz, der sogenannten c5-Senke.  Die mittleren und tieferen Töne werden erst später in Mitleidenschaft gezogen. Es handelt sich dabei um die am häufigsten anerkannte Berufskrankheit in Deutschland. Sie entsteht durch jahrelange Dauerbelastung des Gehörs durch einen gleichbleibenden oder schwankenden Geräuschpegel von über 85 dB und einen Zeitraum von acht Stunden. Sie kann aber auch durch regelmäßig kurzfristig auftretende Lärmspitzen verursacht werden. Die Folge ist die Ermüdung der Haarsinneszellen. Gibt es keine ausreichenden Ruhephasen, sterben die Sinneszellen nach und nach ab. Es tritt eine dauerhafte Schädigung aber kein totaler Hörverlust ein. Beide Ohren sind in der Regel gleichermaßen betroffen. Auffällig ist, dass das Hörverständnis im Nahbereich noch relativ gut sein kann, in zunehmender Entfernung aber kaum noch etwas verstanden wird, also die Hörweite stark reduziert ist. Der Hauptsprachbereich wird erst spät geschädigt.[1] Lärmschwerhörigkeit ist wie ein Arbeitsunfall anzeigepflichtig.

Tinnitus

Tinnitus tritt häufig, aber nicht zwingend in Zusammenhang mit Gehörschädigungen auf und  äußert sich durch einen dauerhaften pfeifenden Ton oder ein hohes Sirren. Seine Ursachen sind nicht eindeutig geklärt. Sollte dieser Pfeifton über mehrere Stunden hinweg gleichbleibend wahrnehmbar sein, ist sofort ein HNO-Arzt aufzusuchen. Durch Infusionen und Medikamente wird versucht, die Innenohrdurchblutung zu verbessern und eine Entspannung herbeizuführen. Ein über Tage unbehandelter Tinnitus setzt sich quasi fest und wird in der Regel zum lebenslangen ungeliebten Begleiter.

Verschiedene Grade von Schwerhörigkeit

Schwerhörigkeit wird in dB gemessen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht bei einem mittleren Hörverlust von 26 – 40dB von einer geringgradigen Schwerhörigkeit. Schon hier sollte geprüft werden, ob das Tragen eines Hörgerätes Besserung bringt. Bei einem Hörverlust von 41  – 60 dB liegt eine mittelgradige Schwerhörigkeit vor. Hochgradig schwerhörig ist der Patient, dessen Hörverlust im Bereich von 61 – 80 dB liegt. Wird dieser Wert überschritten spricht die WHO von an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit.

Eine andere graduelle Einteilung wurde bei einer Studie, die den Anteil der Schwerhörigen in Deutschland untersucht hat, zugrunde gelegt[2].

 

[1] http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Thema-Soziale-Sicherung/merkblatt-2301.pdf?__blob=publicationFile

[2] Sohn, Dr. med. Wolfgang: Schwerhörigkeit in Deutschland,

Repräsentative Hörscreening-Studie 1999, DSB-Report 3/2000, Seiten 10 bis 14

Hörverlust in ProzentAnteil der hörgeschädigten  Bevölkerung über 14 Jahren in Prozent ( Dr. Sohn 1999
Ausmaß der SchwerhörigkeitHörverlust%Absolute Zahlen
Leichtgradig schwerhörig35dB56,57 510 000
Mittelgradige Schwerhörigkeit40-65dB35,24 680 000
Hochgradige Schwerhörigkeit70-807,2958 000
An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit90dB1,6213 000

Demnach wiesen 1999 in Deutschland ein Prozent der 14-bis 19-Jährigen eine Hörschädigung auf. Im Alter der 22- bis 29-Jährigen lag der Wert bei zwei Prozent, bei den 30- bis 39-Jährungen bei fünf Prozent. In der Altersgruppe zwischen 40 und 49 Jahren waren sechs Prozent der Bevölkerung von Schwerhörigkeit betroffen. Einen Sprung macht der Wert bei den 50 bis 59 Jährigen. Dort liegt er bei 25 Prozent. Im weiteren Lebensjahrzent sind es schon 37 Prozent und im Alter von 70 Jahren und älter waren 54 Prozent der Bevölkerung geschädigt.

Der Deutsche Schwerhörigenbund hat auf dieser Basis die Zahlen für 2011 in Abhängigkeit der Altersstruktur abgeleitet und geht davon aus, dass 20,9% der Gesamtbevölkerung über 14 Jahren von Schwerhörigkeit betroffen ist. Es wird von ca. 1 Million neuer Betroffener pro Jahr ausgegangen, von denen sich an die 500 000 mit einem Hörgerät versorgen lassen.

Diese Zahlen bestätigen, worauf Ärzte, Selbsthilfeverbände und Hörgeräteakustiker hinweisen: viele Menschen nehmen die beginnende Schwerhörigkeit nicht wahr oder ignorieren sie. Das Ergebnis: sie gehen zu spät zum Arzt, das Gehirn wird unnötig belastet und die Gewöhnung an das Hörgerät schwieriger.

Messung von Hörschäden

Bei der Messung von Hörschäden müssen diverse Fragen abgeklärt werden. Erreicht der Schall das Trommelfell? Findet die Übertragung der Schwingung vom Trommelfell auf die Gehörknöchelchen statt? Verstärken und transformieren diese den Schall korrekt? Gelangt der Körperschall ins Innenohr und löst er dort die notwendige Reaktion aus? Sind die Haarsinneszellen geschädigt?

Im Folgenden werden gängige audiometrische Testverfahren kurz vorgestellt.

Eine Untersuchung beim HNO-Arzt beginnt mit der Otoskopie. Er untersucht mittels eines Spiegel und einer Lampe den Gehörgang bis zum Trommelfell. Mithilfe der Stimmgabelprüfung kann der Arzt feststellen, ob beide Gehöre gleich gut hören und ob Schallleitungs- oder Schallempfindungsstörungen vorliegen. Bei der Impedanzaudiometrie wird analysiert, ob der Schall normal weitergeleitet wird. Bei der Hörweitenuntersuchung wird überprüft, ob und ab welcher Distanz Flüster- und Umgangssprache gehört und verstanden werden.

Bei der Tonaudiometrie wird die Hörfläche (der hörbare Bereich des Menschen) also die Hörschwelle und die Schmerzschwelle ermittelt. Das Tonaudiogramm liefert die Ergebnisse der Messung der verschiedenen Schalldruckpegel (Lautstärken) auf den verschiedenen Frequenzen. Diese Messergebnisse sind die Grundlage für die Anpassung des Hörgerätes.

Bei der Sprachaudiometrie wird das Sprachverständnis erfasst. Es gibt verschiedene Testverfahren. Bekannt sind der Oldenburger Satz-Test und der Freiburger Wort-Test. Letzterer wird standardmäßig eingesetzt. Hier werden mehrsilbige Zahlwörter und einsilbige Hauptwörter in unterschiedlicher Lautstärke vorgespielt. Am Ende liegt ein Sprachaudiogramm vor, das Aufschluss gibt über den Hörverlust für Zahlen und Wörter und den optimalen Schalldruckpegel – also der Lautstärke bei der das Sprachverstehen einsetzt. Ton- und sprachaudiometrische Tests sollten mit und ohne Störgeräusch (also Lärmuntermalung) durchgeführt werden.